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U2 Vertigo Tour

Vertigo Tour 2nd leg: Europe

: Olympiastadion - Berlin, Germany

View all performances at Olympiastadion, Berlin, Germany.

(venue website)


Oldies but Goldies (German)

(published on 2005-07-09)

Source: Berliner Zeitung

Jens Balzer

Am Donnerstag haben U2, die Kaiser Chiefs und Snow Patrol im Olympiastadion ein Konzert gegeben. Zuerst traten die Kaiser Chiefs auf, ein Quintett aus Leeds, das seinen Namen einem südafrikanischen Fußballverein entliehen hat und einen an der British Invasion orientierten, also recht Rhythm'n'Blues-haltigen Britpop darbietet; ansonsten zeichnet die Band sich unter anderem dadurch aus, dass ihr Organist beim Orgeln den Hut aufbehält (Berliner Zeitung vom 2. 5. 2005). Danach folgten Snow Patrol, eine in Deutschland noch kaum bekannte Glasgower Band aus dem Umfeld von Belle & Sebastian, die in ihrem Heimatland im Gefolge von Coldplay zu einigem Ruhm gelangt ist und ähnlich wie diese, obzwar insgesamt ein wenig langweilig, mit "Run" immerhin eine gute Ballade im Programm besitzt. Diese hatten sie schon beim Londoner Live-8-Konzert zum Besten gegeben, am Donnerstag wurde sie passenderweise den Opfern der Londoner Anschläge gewidmet.

Wegen des Regens mussten die Vorgruppen unter einem Zeltdach spielen, was ein wenig so aussah, als habe sich eine Gartengesellschaft auf die Bühne verirrt und jetzt auch noch ungebeten angefangen zu musizieren. U2 hingegen ließen ihr Schlagzeug und ihre Anlage durch einen Hartplastikschirm schützen, der durch eine Strebe von hinten gehalten wurde und dadurch aussah wie ein durchsichtiger Fliegenpilz oder eine Qualle im Sprung. Auch der charakteristische ins Publikum ragende zweisträngige Laufsteg war mit dabei. Vor vier Jahren in der Waldbühne hatten U2 ihn ja in die Form eines Herzens gebracht. Diesmal handelte es sich um zwei leicht gestreckte Halbkreise, die in zwei dicke Rundformen mündeten; insofern erinnerte das Ensemble ein wenig an die schematische Darstellung einer Gebärmutter in einem Biologiebuch.

Besonders gefreut haben wir uns dann darüber, dass U2 ihr Konzert mit der Einspielung von "Wake Up" eröffneten, einem Stück der in dieser Redaktion außerordentlich geschätzten kanadischen Band Arcade Fire.Dessen drängender Rhythmus und hymnisch jubilierender Gesang greift alles das wieder auf, was man an der Musik von U2 vor zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren einmal mochte - womit das Publikum bereits auf den erfreulichen Umstand eingestimmt wurde, dass es, nachdem das Konzert mit "Vertigo" eröffnet wurde - dem Eröffnungsstück des letzten Albums "How To Dismantle An Atomic Bomb" - im Folgenden vor allem Oldies zu hören bekommen sollte:"New Year's Day" und "Sunday Bloody Sunday", "I Will Follow", "With Or Wit hout You" und "I Still Haven't Found What I'm Looking For", wobei die Live-Version letzteren Liedes mit ihrem bassbestimmten Stadionrock-Bumsrhythmus leider meilenweit entfernt war von dem filigranen Gitarrengezirpe, zu dem Produzent Brian Eno seinen Schützlingen weiland auf "The Joshua Tree" verholfen hatte.

Doch das sind nur Kleinigkeiten in der Kritik, denn im Großen und Ganzen boten U2 ein nicht unangenehmes, kurzweiliges Konzert; das uferlos unstrukturierte Gedengel von ihren letzten beiden LPs hielten sie ebenso im dramaturgischen Zaum wie den aufgeladenen Bombastpop, den man von Neunzigerjahre-Alben wie "Zooropa" kennt. Nach einer Zwischenphase der Selbstbesinnung aufs Elementare ("wir wollen wieder richtigen Punkrock spielen", hieß es anlässlich des vorletzten Albums "All That You Can't Leave Behind") haben sie sich offenbar auf das besonnen, was sie am Besten können: als ihre eigene Cover-Band aufzutreten.

Auch in Fragen des Politischen fanden sie den richtigen Ton: "Unsere Gedanken sind bei all jenen, die heute in London geliebte Menschen verloren haben", wandte sich Bono an seine Hörer, als die Sonne untergegangen war und das Stadion im Schein der Wunderkerzen und einer Leuchtschlange erglühte, die auf den im Innenraum aufgestellten Dixi-Toiletten angebracht worden war. "Es gibt Menschen, die glauben, dass Ideen wichtiger sind als Menschen. Das ist nicht wahr. Ich habe ein Gebet, und ich hoffe, dass es auch das Eure ist: Ich bete, dass wir nicht zu Monstern werden, wenn wir das Monster bekämpfen." Danach wurde die Charta der Menschenrechte verlesen und die Band spielte "Pride (In The Name Of Love)", was bei allem, was man sich ansonsten über U2, ihre Musik und ihren Sänger so denken mag, das Klügste und Schönste war, was eine Rock'n'Roll-Band an diesem Tag und an diesem Ort tun konnte.

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